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Wenn du dich selbst in der Mutterrolle verlierst

Frau auf die Fensterbank gelehnt, wirkt verloren

„Wer bin ich eigentlich noch ohne das Wort Mama davor?“ Wenn du diese Frage manchmal denkst, bist du nicht allein. Viele Frauen erleben das Gefühl, sich selbst in der Mutterrolle zu verlieren: das eigene Leben schrumpft auf Termine, Aufgaben und das Wohl der Familie zusammen. Hobbys, Freundinnen, berufliche Träume und innere Bedürfnisse rutschen in den Hintergrund. Das ist nicht „falsch“, es ist eine verständliche Reaktion auf eine enorme Mehrfachbelastung. Trotzdem: es ist ein Signal, das Beachtung verdient.

Wie sich das Gefühl „mich verloren zu haben“ anfühlt

Für viele klingt das so: anhaltende Erschöpfung, seltene Freude an eigenen Interessen, abnehmende Geduld, das Gefühl, nur noch zu funktionieren. Du vergisst eigene Bedürfnisse, findest kaum mehr Zeit für dich, und wenn doch, ist das schlechte Gewissen größer als die Erholung. Körperliche Signale (Schlafprobleme, Verspannungen, Magenbeschwerden) mischen sich mit innerer Leere und einem Gefühl, „unschlüssig“ geworden zu sein, wer du außerhalb deiner Rollen noch bist.

Warum das passiert: kurz und klar erklärt

Es gibt mehrere, sich überlagernde Gründe:

  1. Die Identitätsverschiebung
    Mutterwerden ist eine tiefgreifende Lebensumstellung, für die es Begriffe wie „Muttertät“ oder „Matrescence“ gibt. Dieser Übergang zur Mutterschaft bedeutet, dass sich die Identität verändert und Rollen neu verhandelt werden – manchmal ohne, dass die eigene Person bewusst mitwächst.
  2. Mental Load und unsichtbare Arbeit
    Du trägst nicht nur Aufgaben, sondern die ganze mentale Planung: Termine, Organisation, emotionales Managen. Diese permanente kognitive Belastung frisst Ressourcen, die früher für „Ich-Dinge“ übrig waren.
  3. Gesellschaftliche und innere Erwartungen
    Das Bild der „perfekten Mutter“ und eigene hohe Ansprüche führen dazu, dass viele Mütter weniger Hilfe annehmen, mehr übernehmen und dadurch sich selbst ausblenden.
  4. Chronische Erschöpfung
    Werden Erholung und Grenzen immer weiter verkleinert, führt das langfristig zu Erschöpfung, die das Selbstbild negativ beeinflusst. Die Mutterrolle dominiert dann andere Identitätsanteile.

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Veränderungen in der elterlichen Identität mit psychischem Wohlbefinden verbunden sind: stabile Identifikation mit der Elternrolle schützt, während Unsicherheit oder starke Zweifel mit depressiven Symptomen und Belastung zusammenhängen können.

Woran du erkennen kannst, dass du Unterstützung brauchst

Wenn mehrere der folgenden Punkte für dich zutreffen und schon längere Zeit bestehen, ist es Zeit, nicht länger „durchzuhalten“, sondern zu handeln:

  • Du hast kaum Freude an Tätigkeiten, die dir früher wichtig waren.
  • Du fühlst dich oft innerlich leer oder gereizt, auch ohne konkreten Auslöser.
  • Du ziehst dich sozial zurück oder sagst Treffen oft ab.
  • Du hast das Gefühl, nur noch zu funktionieren und erkennst dich selbst kaum wieder.
  • Körperliche Beschwerden bestehen ohne erkennbare medizinische Ursache.

Das ist kein moralisches Versagen, sondern es sind Warnsignale deines Körpers und deiner Psyche. Und sie sind behandelbar.

Was konkret hilft: praktisch und alltagstauglich

Es geht nicht darum, sofort wieder „du selbst“ in voller Blüte zu sein. Es geht um kleine, verlässliche Schritte, die deine Identität nach und nach zurückerobern und dich schützen. Hier sind fünf wirksame Ansätze, die du sofort ausprobieren kannst:

  1. Mini-Rückeroberungen
    Suche dir eine kleine Aktivität (10–20 Minuten täglich oder mehrmals pro Woche), die nur dir gehört. Kein Multitasking, keine Mütterpflichten im Hintergrund. Baue es langsam in deinem Rhythmus auf.
  2. Eigenschaften benennen
    Schreibe dir drei Eigenschaften auf, die du an dir magst, unabhängig vom Muttersein (z. B. kreativ, neugierig, empathisch). Hänge die Liste sichtbar auf: das hilft, die Identität bewusst zu halten.
  3. Mentale Auslagerung
    Lege ein sichtbares System für Termine und Aufgaben an (Familienkalender, To-do-Board) und delegiere aktiv einen Punkt pro Woche an deine/n PartnerIn, FreundIn oder externe Hilfe. Mehr Kopffreiheit ist enorm entlastend.
  4. Grenzen üben
    Setze kleine, klare Grenzen (z. B. eine Abendstunde, in der du nicht arbeitest oder Familienaufgaben übernimmst). Übung macht’s: Grenzen fühlen sich anfangs unbequem an, werden dann aber wohltuend.
  5. Reflexion und Begleitung
    Nimm dir alle paar Wochen 10 Minuten, um zu reflektieren: Was hat mir Kraft gegeben? Was hat mir Energie genommen? Wenn du merkst, dass belastende Gedanken, starke (Selbst-)Zweifel oder depressive Symptome überhandnehmen, hol dir psychologische Unterstützung. Professionelle Begleitung hilft, tieferliegende Muster sicher und effektiv zu bearbeiten.

Warum professionelle Unterstützung sinnvoll ist

Als Psychologin sehe ich immer wieder: Kleine Alltagsänderungen helfen, aber wenn sich Identitätskrisen verfestigen, braucht es strukturierte Arbeit, z. B. Therapie, Coaching oder gezielte Trainings. Dort kannst du Glaubenssätze, Perfektionsansprüche und Rollenbilder bearbeiten und neue, nachhaltige Routinen aufbauen. Außerdem ist es ein sicherer Raum, in dem dein Erleben anerkannt wird, ganz ohne Bewertung.

Du bist nicht egoistisch, du rettest deine Familie

Viele Mütter glauben, sie müssten sich aufgeben, damit ihre Familie funktioniert. Das Gegenteil ist wahr: Wenn du dich selbst ignorierst, leidet deine psychische und körperliche Gesundheit. Wenn du lernst, dich selbst zu nähren, strahlst du das auf deine Kinder und Partnerschaft aus. Es ist keine Selbstliebe in Abgrenzung zu anderen, es ist Fürsorge für alle.

Mein Angebot für dich

Wenn du merkst, dass du Unterstützung willst, begleite ich dich sehr gern, und zwar wissenschaftlich fundiert, praktisch und empathisch. Meine Angebote sind auf Mütter zugeschnitten, die wenig Zeit haben, aber echte, nachhaltige Veränderung suchen:

Wenn du bereit bist, dir selbst wieder Raum zu schenken, ist das der erste mutige Schritt. Du musst das nicht allein schaffen.

Wissenschaftliche Quellen

  1. Daw, J. R., MacCallum-Bridges, C. L., & Admon, L. K. (2025). Trends and Disparities in Maternal Self-Reported Mental and Physical Health. JAMA Internal Medicine, 185(7), 857. https://doi.org/10.1001/jamainternmed.2025.1260
  2. Hwang, W. Y., Choi, S. Y., & An, H. J. (2022). Concept analysis of transition to motherhood: A methodological study. Korean Journal of Women Health Nursing, 28(1), 8–17. https://doi.org/10.4069/kjwhn.2022.01.04
  3. Piotrowski, K. (2023). Parental identity formation in mothers is linked to borderline and depressive symptoms: A person-centered analyses. Frontiers in Psychology, 14, 1086947. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2023.1086947

Foto: Unsplash, Rapha Wilde

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