Regretting Motherhood: Was tun, wenn Zweifel kommen
Manchmal fragte ich mich selbst: Was, wenn ich mich geirrt habe? Nicht sofort nach der Geburt meiner Kinder. Aber später, in den langen Nächten, in denen ich kaum schlief, wenn ich in den Tag startete und schon hunderte Gedanken kreisten… Was, wenn ich ohne diesen Weg glücklicher gewesen wäre? Diese Frage klingt wie ein Tabubruch. Viele Mütter wagen es kaum auszusprechen. Aber Regretting Motherhood ist real, und es lohnt sich hinzusehen, zu verstehen und sanft zu handeln.
Was bedeutet Regretting Motherhood?
Der Begriff Regretting Motherhood bezeichnet das anhaltende Gefühl mancher Frauen, dass sie es bereuen, Mutter geworden zu sein. Es ist nicht einfach vorübergehende Erschöpfung oder eine Phase nach der Geburt. Es handelt sich um tiefere, manchmal existenzielle Zweifel. Der moderne Ausdruck wurde durch die israelische Soziologin Orna Donath bekannt gemacht, die in Interviews erkannte, dass einige Frauen unter dem Gewicht gesellschaftlicher Erwartungen, ihrer eigenen Bedürfnisse und der Realität der Mutterschaft leiden.
Diese Reue bedeutet nicht zwangsläufig, dass eine Mutter ihre Kinder nicht liebt. Vielmehr kann sie die Rolle selbst, die eingeschränkte Freiheit, den Verlust früherer Träume oder die Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit bereuen.
Wer ist betroffen und wie verbreitet ist das Phänomen?
- In einer repräsentativen deutschen Umfrage von YouGov gaben rund 20 % der befragten Eltern (also Mütter und Väter) an, dass sie nicht nochmal Kinder bekommen würden, wenn sie die Entscheidung rückgängig machen könnten.
- In einer neueren Studie in Polen (PLOS ONE) berichteten etwa 13,6 % der Eltern zwischen 18 und 40 Jahren, dass sie bereuten, Kinder bekommen zu haben. Interessanterweise war dieses Bedauern mit stärkerem elterlichem Stress, Angst und geringerer Lebenszufriedenheit verbunden.
- In Schweden fand eine Studie (Journal of Child and Family Studies) ebenfalls: Eltern, die über „Regret“ berichten, leiden häufiger unter Einsamkeit, psychischem Stress und einer schwächeren Identifikation mit der Elternrolle.
Diese Zahlen zeigen: Regretting Motherhood ist kein Einzelfall, sondern ein Phänomen, das mehrere Prozent der Eltern betrifft, und es wird zunehmend erforscht und öffentlich diskutiert.
Warum es so ein Tabu ist
Das Bedauern der Mutterschaft bricht mit einem tief verwurzelten Narrativ: Muttersein gleich Lebenssinn und Erfüllung. Gesellschaftlich wird von Müttern erwartet, dankbar, glücklich und aufopfernd zu sein. Zweifel dagegen gelten als Zeichen von Undankbarkeit oder Versagen.
Viele betroffene Frauen sagen: Sie lieben ihre Kinder, aber nicht unbedingt die Rolle der Mutter: die ständigen Erwartungen, den Druck, die Verantwortung. Der Konflikt zwischen inneren Bedürfnissen und äußeren Normen erzeugt Schuld, Scham und Isolation.
Was kann hinter dem Gefühl der Reue stecken?
- Überforderung und Burnout: Elternschaft ist oft extrem stressreich. Wenn die Unterstützung fehlt, kann Dauerbelastung zu einem tiefen Empfinden von Reue führen. Studien zeigen eine Korrelation zwischen elterlichem Stress und Reue.
- Identitätsverlust: Manche Mütter empfinden, dass sie ihre eigene Person „aufgegeben“ haben: ihre Träume, ihre Freiheit, ihre Selbstverwirklichung.
- Gesellschaftliche Erwartungen: Das Idealbild der selbstlosen, „immer glücklichen“ Mutter erzeugt enormen Druck.
- Einsamkeit: Eltern mit Reuegefühlen berichten öfter über Einsamkeit und mangelnde Unterstützung.
- Psychische Belastung: Regretting Motherhood ist nicht gleich Depression, aber kann mit psychischem Stress, Angstgefühlen und erhöhter Belastung einhergehen.
Was kannst du tun, wenn du diese Zweifel spürst?
Diese Gedanken und Gefühle sind mutig, ehrlich und wichtig. Hier sind einige Schritte, die dir helfen können:
- Informiere dich
Lies Bücher, Artikel oder wissenschaftliche Studien zum Thema. Wissen über das Phänomen entlastet und zeigt, dass du nicht „die Einzige“ bist. - Sprich darüber
Suche dir Gleichgesinnte oder vertraute Menschen, mit denen du deine Zweifel teilen kannst. Der Tabubruch kann Erleichterung bringen und vielleicht eine neue Verbindung mit anderen, die Ähnliches erleben. - Reflektiere deine Bedürfnisse
Frage dich: Welche Wünsche hatte ich vor der Mutterschaft? Was habe ich aufgegeben? Wo fehlen mir Freiräume? Das bewusste Erforschen deiner eigenen Werte und Ziele kann dir Klarheit geben. - Priorisiere dich selbst
Vielleicht brauchst du regelmäßige Me-Time, professionelle Unterstützung oder kleine Rückzugsorte. Pflege eine Praxis der Selbstfürsorge, die zu dir passt, nicht als Luxus, sondern als essenzielle Ressource. - Setze kleine, mutige Schritte
Es muss kein kompletter Neustart sein. Du kannst langsam einen Weg finden, auf dem dein Leben mehr deinen eigenen Vorstellungen entspricht, auch jenseits der gängigen Mutterrolle. - Hole dir Unterstützung
Ein Coaching oder eine Therapie kann hilfreich sein, um diese Gefühle zu bearbeiten, neue Perspektiven zu finden oder belastende Glaubenssätze zu verändern.
(Wichtig: Diese Tipps ersetzen keine Therapie und sind kein Ersatz für medizinische/psychologische Behandlung.)
Du bist nicht allein und Veränderung ist möglich
Wenn du gerade Zweifel daran hast, ob Mutterschaft „das Richtige“ war, dann ist das ein kraftvoller Startpunkt, nicht das Ende deines Weges. Dieses Gefühl ist kein Zeichen von Versagen, sondern von Empfindsamkeit, Reflexion und einem echten Bedürfnis nach Selbstbestimmung.
Wenn du Unterstützung möchtest: In meinem 1:1-Coaching kannst du in einem geschützten Raum deine Gedanken und Zweifel erforschen, neue Wege finden und Klarheit gewinnen. Wir arbeiten gemeinsam daran, dass du dich wieder mit deinem wahren Selbst verbindest: mit deiner Version von Mutterschaft, nicht mit einem fremdbestimmten Ideal.
Du bist nicht allein, und du verdienst es, gesehen zu werden.
Quellen und weiterführende Links:
- Ackermann, S. (2021). Studie „Regretting Parenthood“: Viele würden sich heute gegen Kinder entscheiden. taz. https://taz.de/Studie-Regretting-Parenthood/!5322239/
- Piotrowski, K., & Żemojtel-Piotrowska, M. (2021). How many parents regret having children and how it is linked to their personality and well-being? PLOS ONE, 16(7).
https://doi.org/10.1371/journal.pone.0254163 - Feldhaus, M., & Kolleg:innen. (2024). Loneliness Among Parents Who Experience Regretting Parenthood. Journal of Child and Family Studies.
https://doi.org/10.1007/s10826-024-02988-8 - Deutsches Jugendinstitut (DJI). (2024). Regretting Motherhood – Wenn Muttersein unglücklich macht.
https://www.dji.de/veroeffentlichungen/aktuelles/news/article/261-regretting-motherhood-wenn-muttersein-ungluecklich-macht.html - Evangelische Zeitung. (2023). Das Stichwort: Regretting Motherhood – Wenn Muttersein schwer wird.
https://evangelische-zeitung.de/das-stichwort-regretting-motherhood - Elternseite.at. (2024) Regretting Motherhood: Wenn Muttergefühle ambivalent sind. https://elternseite.at/de/themen/regretting-motherhood
- Urbia.de. Regretting Motherhood: Darf man es bereuen, Mutter zu sein? Erfahrungsberichte, Scham und gesellschaftlicher Druck.
https://www.urbia.de/magazin/familienleben/muetter/regretting-motherhood-darf-man-es-bereuen-mutter-zu-sein
Foto: Unsplash, Matt Hoffmann
